TECHNISCHE FRAGEN
zu Armbrust und Zubehör
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0.1) Alle fabrikneuen Armbruste schiessen präzise, solange der Schütze keinen Fehler macht? Das stimmt höchstens, wenn man nur einen Fussball auf 20 m treffen will. Bei einem Tennisball auf 50 m schaffen viele Armbruste nur noch Zufallstreffer, und auf 100 m sind die meisten total überfordert (trotz Windstille und einwandfreiem Zubehör). 0.2) Das Zuggewicht gibt die Stärke der Armbrust an? Das stimmt nur teilweise, weil die Auszugslänge sowie Geometrie und Werkstoff des Bogens ebenso wichtig sind. 0.3) Compoundarmbruste profitieren beim Spannen vom Seilrollenprinzip (Flaschenzug)? Nein, denn dazu würden sie mindestens die doppelte Auszugslänge benötigen. Stattdessen wird das Hebelprinzip genutzt, weswegen die Rollen (Cams) auch nicht mittig eingehängt und meistens nicht rund sind. Damit bei steigendem Auszug die Zugkraft konstant bleibt oder sogar absinkt, muss der Hebel auf der Sehnenseite zunehmen und auf der Kabelseite abnehmen. Unglaublicherweise gibt es noch immer Fernosthersteller, welche nicht einmal zu kopieren verstehen und ihre Armbruste daher mit einfachen Seilrollen bauen (= halbierte Abschussenergie gegenüber einfachem Bogen). 0.4) Compoundarmbruste erfordern zum Spannen weniger Energie als ähnlich leistungsstarke Recurvearmbruste? Nein, das Gegenteil stimmt. Zwar ist die maximale Zugkraft beim Compoundsystem geringer, aber diese muss über einen längeren Teil des Zugvorgangs beibehalten werden. Beim Recurvesystem steigt die Zugkraft stetig an und ist nur im letzten Teil des Auszuges höher als beim Compound. Das kann man sich ungefähr so vorstellen, dass der Recurveschütze 1x 110 kg hochziehen muss während es beim Compoundschützen ca. 2x 80 kg sind. Der letztere hat insgesamt mehr zu ziehen, auch
wenn es in kleinere Lasten verteilt ist. Compound = ca. 1,4 x Recurve.
Der Energieaufwand beim Spannen entspricht jeweils der Fäche unter der Kurve. 0.5) Compoundarmbruste sind effektiver als Recurvearmbruste, weil ihre Pfeilbeschleunigung erst kurz nach dem Start voll einsetzt? Nein, denn die effektivste Nutzung der Auszugslänge geschieht durch maximal mögliche Beschleunigung bereits vom Start weg und bis zum Ende. Es gibt ja auch entsprechende Compoundarmbruste, welche beim Spannen die maximale Zugkraft bis zum Einrasten des Schlosses beibehalten. Aber selbst diese können nur durch viel stärkere Wurfarme mehr Abschussenergie erreichen als vergleichbar schnelle Recurvearmbruste. Zum Beweis kann man die Rollenachsen direkt mit einem Seil verbinden (wie eine Bogensehne) und damit die Wurfarme soweit spannen wie im Normalbetrieb - falls man das ca. 3,5x höhere Zuggewicht überhaupt schafft. 0.6) Eine Trockenschuss-Sicherung schützt wirksam gegen Leerschüsse? Das stimmt nur teilweise. Viele der betreffenden Armbruste benötigen nämlich Pfeile mit Moon(Halbmond)-Nock. Wenn man diese versehentlich mit der falschen Feder in die Schiene legt, dann rutscht beim Schuss die Sehne unter dem Pfeil durch mit gleicher Auswirkung wie ein Leerschuss (Schäden an Wurfarmen und eventuell Rollen sowie Bespannung). 0.7) Für Armbruste genügen billige Zielfernrohre? Das stimmt nur bei schwachen Armbrusten, welche sowieso kaum weiter als 30 m treffsicher sind. Starke Armbruste benötigen Qualitätsoptik nicht nur für grössere Schussentfernungen sondern auch wegen der höheren Schussbelastung der mechanischen Teile. Billigoptiken weisen manchmal schon nach wenigen Schüssen ein undichtes Gehäuse, lockere Innenteile oder wandernde Trefferlagen auf. Es gibt sogar in der optischen Mittelklasse nur wenige Hersteller, deren Zielfernrohre auf starken Armbrusten dauerhaft schussfest sind. |
Die Treffsicherheit einer Armbrust entspricht nicht immer dem Kaufpreis und auch technische Angaben sind nicht selten irreführend. Beispielsweise ist ein "Hohlschliff" der Pfeilführungsschiene nutzlos, dagegen eine gerade Auflage des Pfeils mit einem möglichst grossen Teil der Schaftlänge sehr wichtig. Am besten vergleicht man den Durchmesser des Streukreises (kleinster Kreis, welcher z.B. 10 Treffer desselben Pfeils umschliesst). Diesen ermittelt man praktisch nachdem man alle Unsicherheiten der Zieleinrichtung, der Pfeile und des Schützen während einer Schuss-Serie möglichst ausschaltet. Die meisten Armbruste können nicht einmal bei Windstille einen Tennisball auf 70 m Entfernung treffen, während andere das noch auf mehr als 100 m schaffen. Bei Wind ist das Treffergebnis ausserdem noch vom verwendeten Pfeiltyp abhängig.
Test auf 100 m, starker Seitenwind, gleiche Armbrust aber zweierlei Pfeile:
Die Abschussenergie ist die kinetische Energie Eo des Pfeils (oder Bolzens) kurz nach dem Verlassen der Sehne. Sie wird in J (Joule) oder ft.lb (foot pound) angegeben und hängt nicht allein vom Zuggewicht der Armbrust ab, sondern ebenso von deren Auszugslänge und Wirkungsgrad. Man berechnet diese Energie aus den Messwerten der Geschwindigkeit und Masse des Pfeils. Übrigens erhält ein schwererer und steiferer Pfeil mehr kinetische Energie von derselben Armbrust (2-3 J je zusätzlichem g), als ein leichterer und biegsamerer Pfeil. Für genauen Vergleich verschiedener Armbruste müssten also alle mit demselben Pfeil gemessen werden. Eine hohe Abschussenergie ist vorteilhaft besonders bei der Jagd und bei extremen Weitschüssen. Allerdings steigt damit auch der Verschleiss der Armbruste und Zieloptiken, besonders wenn der jeweilige Wirkungsgrad nicht ausreicht. Bei gleichbleibender Armbrust hängt das Durchschlagspotential der Pfeile von deren Masse, Steifigkeit und Spitzentyp ab.
Ein voller Durchschlag des rund 150 kg schweren Keilers erfordert ca. 150 J Abschussenergie:
Die Abschussgeschwindigkeit des Pfeils (oder Bolzens) kurz nach dem Verlassen der Sehne wird in m/s oder fps (feet per second) gemessen. Als maximale Pfeilgeschwindigkeit geben die Hersteller jene an, bei welcher sie für die jeweilige Armbrust gerade noch Garantie gewähren. Die meisten Hersteller rechnen aber nicht mit einer hohen Schusszahl innerhalb der Garantiedauer. Beispielsweise halten EXCALIBUR-Armbruste bei 350 fps in der Regel einige zigtausend Schüsse aus (Sehnenverschleiss nicht berücksichtigt), während andere ähnlich "schnelle" Armbruste oft schon nach wenigen hundert Schüssen Schäden aufweisen. Eine höhere Pfeilgeschwindigkeit bewirkt eine gestrecktere Flugbahn und geringere Windempfindlichkeit, was bei Turnier und Jagd ein entscheidender Vorteil sein kann. Leichtere und steifere Pfeile (z.B. Carbonschäfte) erreichen höhere Geschwindigkeiten aus derselben Armbrust (ca. 2 m/s je gespartem g), als schwerere und biegsamere Pfeile (z.B. Aluminiumschäfte). Zu leichte Pfeile senken aber den Wirkungsgrad zu weit ab, wodurch Armbruste und Zieloptiken vorzeitig verschleissen.
Viele Wurfarme der in Fernost hergestellten Armbruste (z.B. MIDDLETON, POE LANG) sind schon nach wenigen hundert Schüssen kaputt:
Der Wirkungsgrad einer Armbrust gibt an, wieviel Prozent der beim Spannvorgang aufgewendeten Energie nachher beim Abschuss als kinetische Energie auf den Pfeil übertragen wird (der Rest verpufft in der Armbrust und führt je nach Qualität zu mehr oder weniger Verschleiss). Da vom Hersteller meist nicht angegeben, kann man den Wirkungsgrad nur durch Messung und Integration der Zugkraft über die gesamte Zuglänge für die jeweilige Armbrust berechnen:
Bei gleichen Wurfarmen
gleicher Auszugslänge und gleichem Pfeil ist der Wirkungsgrad von Recurvearmbrusten stets viel höher als von Compoundarmbrusten, welche zusätzlich Energie zur Bewegung der Kabel, Rollen, Achsen, etc. verbrauchen. Da letztere zwecks Leistungsausgleich also stärkere Wurfarme und somit mehr Spannarbeit benötigen, verpufft auch viel mehr Energie im Compoundbogen (z.B. rund 90 J bei DURANGO gegenüber 40 J bei EXOMAX gemäss Messung). Dieser verschleisst deswegen eher als ein gleich leistungsfähiger Recurvebogen. Für einen recurve-ähnlichen Wirkungsgrad und dadurch gleiche Haltbarkeit müssten Compoundarmbruste folglich viel schwerere Pfeile verschiessen und könnten damit nicht die Pfeilgeschwindigkeit von Recurvearmbrusten erreichen. Wo trotzdem höhere Geschwindigkeiten angegeben werden (z.B. mit für das Armbrustmodell zu leichten Pfeilen), erreichen die Compounds nicht die Lebensdauer von vergleichbaren Recurves (bei EXCALIBUR zigtausende Schüsse). Manche Hersteller versuchen, dieses Problem mit zusätzlicher Bogendämpfung zu lösen. Andere aber rechnen einfach damit, dass der Kunde die kritische Schusszahl nicht innerhalb der Garantiezeit erreicht.
Hohes Zuggewicht bedeutet nur dann viel gespeicherte Energie in den Wurfarmen, wenn es mit grosser Auszugslänge verbunden ist. Auf den Pfeil wird auch nur ein Teil dieser Energie übertragen, welcher vor allem vom Wirkungsgrad der jeweiligen Armbrust abhängt.
Bei Recurvearmbrusten können je nach Standhöhe der Sehne etwas unterschiedliche Zuggewichte gemessen werden. Ausserdem erfolgt die Angabe nicht überall nach dem gleichen Gesichtspunkt. So gibt z.B. EXCALIBUR das Zuggewicht für die Sehne in schussbereiter Stellung (durch Schlossklaue gehalten) an, während beim Spannvorgang zum Einrasten des Schlosses bis zu 22 lbs mehr Zuggewicht überwunden werden muss.
Im Gegensatz zu Recurvearmbrusten entspricht bei Compoundarmbrusten das angegebene Zuggewicht nicht der tatsächlichen Belastung der Wurfarme, welche stets viel höher ist. Z.B. wurde an einer DURANGO 85 kg über die Rollen gemessen und 290 kg über Achsendirektverbindung:
Durch die Hebelübersetzung an den Rollen (Cams) verlagert sich das Zuggewicht während des Spannvorgangs zunehmend von der Sehne auf die Kabel. Aber der Schütze muss nur das angegebene Sehnen-Zuggewicht überwinden (oft gleichbleibend über einen grösseren Teil der Auszugslänge). Compoundarmbruste haben also eine integrierte Spannhilfe, wodurch auch stärkere Wurfarme bewältigt werden können. Deren Haltbarkeit hängt aber von ausreichend schweren Pfeilen ab, welche einer schnelleren Beschleunigung entgegenwirken.
Durch Produktionstoleranzen der Bogenkomponenten ergeben sich ebenfalls Zuggewichtsschwankungen.
Die Standhöhe ist der Abstand der Bogensehne im Ruhezustand zum Bogenmittenteil (Riser). Die Auszugslänge ist der Abstand der ins Schloss gespannten, schussbereiten Sehne zur vorherigen Ruhelage. Die Standhöhe steigt mit abnehmender Sehnenlänge, welche durch Eindrehen verkürzt werden kann zwecks erhöhter Haltbarkeit der Sehnenschutzwicklung. Jedoch verringert sich dabei die Auszugslänge um denselben Betrag, wodurch die Abschussenergie etwas sinkt. Je nach Gesichtspunkt ist hier der optimale Kompromiss zu finden.
Schlaue Armbrusthändler übernehmen einfach obige Informationen, auch wenn sie diese nicht immer nachvollziehen können. Andere unterstellen mir Falschaussagen aus Konkurrenzgründen. Leider verstehen selbst gute Schützen oft nicht die Grundlagen der Armbrusttechnik. Dazu muss man zwar kein Diplomingenieur sein, aber gute Schulkenntnisse in Mathematik und Physik sind durchaus notwendig.
WOLFSZEIT / Günter Wetzler
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